Halbnackt und keine Ahnung? Gamescom-Hostessen im Interview

In einem unserer ersten Artikel hat Gesine über die Hostessen auf der CeBit geschrieben. Um den Beitrag gab es einige Diskussion und darum haben wir das Thema nun anlässlich unseres Besuchs auf der Gamescom wieder aufgegriffen.
Es wurde damals unter anderem kritisiert, dass Gesine die Hostessen selbst nicht gefragt hat – das habe ich nun nachgeholt.

Ich habe die Frauen zu Wort kommen lassen, die in knappen Outfits vor den Ständen stehen und Ihnen Fragen gestellt – mit interessantem Ergebnis! Einige Geschichten sind positiv überraschen, andere ziemlich traurig. Die genauen Fragen und eine Zusammenfassung der Antworten lest ihr nach dem Cut:

Zuvor muss gesagt werden, dass wir am Mittwoch auf der Gamescom waren, also am Fachbesuchertag. Es war noch nicht besonders viel los, sodass die Frauen vielleicht noch nicht viel auf der Messe erlebt hatten, aber dadaurch auch Zeit für die Interviews hatten. Es liefen auch auf jeden Fall schon private Besucher rum und die Hostessen wurden bereits viel fotografiert.
Allen fünf Interviewten habe ich diese Fragen gestellt und dabei versucht, die Punkte abzudecken, um die es beim CeBit-Artikel am meisten Diskussion gab:

1. Was ist Deine Aufgabe auf der Messe?
2. Gefällt Dir Dein Job?
3. Was machst Du beruflich?
4. Wie empfindest Du die Reaktionen auf Dich bzw. Dein Outfit?
5. Fühlst Du Dich auf Deinen Körper reduziert? Wenn ja, stört Dich das?
6. Hast Du privat Interesse an Computerspielen oder anderen Geek-Themen?

Hier sind nun die Antworten aller Hostessen und mein Eindruck zusammengefasst wiedergegeben:

 

Annabelle am Stand zum Shooter Shadow Company:
Annabelle, die mit AK47 an einem Stand, der wohl ein Gefängnis darstellen soll, auf und ab ging, hat die Aufgabe, den Stand „in Szene zu setzen“. Zur Zeit des Interviews gab sie an, dass ihr der Job Spaß macht. Es war allerdings gerade 10 Uhr am Fachbesuchertag und sie hatte auch ein bisschen Sorge vor den volleren Tagen. Annabelle macht sonst andere Arbeiten, die aber im ähnlichen Bereich (z.B. Modeln) liegen. Die Blicke von Männern machen ihr nichts aus, das gehöre dazu und war ihr vorher klar. Sie fühlt sich auch nicht im speziellen als Person reduziert; ihr Outfit findet sie ok, da es zum Spiel passt und der Rock nicht zu kurz ist. Privat hat sie garkeine Berührungspunkte mit der Szene.

Mein Eindruck war, dass Annabell ein wenig unbedarft an die Sache heranging. Sicher ist das ihr erster Job auf der Gamescom und ich kann mir nur grob ausmahlen, was sie jetzt, in den Besuchermassen teilweise erlebt.  Ich drücke ihr die Daumen, dass es nicht zu unangenehm wird.

 

Steffi vom eevoc-Stand, einem iPhone-Game:

Steffi hat mehr Verantwortung an ihrem Stand, der etwas abgelegener liegt. Sie bringt Besucher dazu, die FB-Seite des Spiels zu liken und hilft Ihnen dabei, an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Ihr macht die Arbeit viel Spaß, was sie auch ausstrahlte. Sie verdient am der Messe Geld für ihr Studium. Die Reaktionen auf ihr Outfit (Gucken, Fotos machen) empfindet sie teilweise als unangehm, aber sie fühlt sich auch nicht aufs Körperliche reduziert, da sie einen Job hat, der übers hübsch aussehen hinausgeht und ihre Bekleidung sinnvoll zum Spiel und zum Stand passt. Sie hat privat garnichts mit Computerspielen zu tun.

Ich empfand Steffi als sehr aufgeschlossen und sympathisch. Sie wird sicher keine Probleme haben, mit aufdringlichen Besuchern unzugehen. Über Geeksisters hat sie sich erkundigt und wird diesen Beitrag auch lesen. Liebe Grüße an dieser Stelle ;)

 

Beata an Stand zum Adventure-Game van Helsing:
Auch Beata hat einen verhätnismäßig verantwortungsvollen Job am Stand. Sie wird nicht nur fotografiert sondern beantwortet auch Fragen zum Spiel und hilft bei der Bedienung des Spiels an Ausprobier-Stationen. Auch sie hat Spaß an der Arbeit und verdient damit Geld für ihr Studium in Ungarn. Gucken und Fotos machen stören sie nicht, aber ein Küsschen auf die Wange, was wohl auch vorkommt, geht ihr zu weit.  Beata weiß, dass unter anderem ihr Aussehen ihr den Job verschafft hat. Das empfindet sie insofern schon als Reduzierung aufs Körperliche, macht ihr aber nichts aus, es „gehört dazu“. Ihr  Outfit sieht sie auch eher als Kostüm. Sie ist übrigens selbst Gamer und Fähigkeiten im Computerspielen war Einstellungsvorraussetzung für ihren Job.

Dies ist für mich das positivste Beispiel unter den fünf. Nicht nur, dass vom Standbetreiber auf Interesse am Thema wert gelegt wurde – es gab laut Beata auch ein zweitägiges Training für den Job, darunter eine 5-Stunden Einheit Computerspielen, um Fragen zum Spiel beantworten zu können. Auch die Outfits der Frauen sind mit Sorgfalt gestaltet und haben wirklich Kostüm-Charakter, wenngleich vor allem die Hosen keine einzige Rundung verbergen. Was mir erst auf dem Foto aufgefallen ist: Diese Hostesse sind barfuß – sicher gesünder und bequemer als High-Heels. Im Gedränge wären irgendwelche Schuhe aber sicher nicht verkehrt…oO.

 

Namenlose Hostess am Stand von Resident Evil:
Auf die nette Begegnung mit Beata folgt nun die beunruhigenste Geschichte. Die kaum bekleidete Hostess am Stand von Resident Evil möchte lieber unerkannt bleiben. Ihre Aufgabe ist ein typischer Promotion-Job (Facebook-Likes, Gewinnspiel, Bedienung einer Fotowand). Grundsätzlich gefällt ihr die Art der Arbeit, aber die Sache hat einen Haken: Die Hostess wusste bis zum Morgen nichts von Ihrem Outfit, das einfallslos Bikini-artig und auf Brust und Hintern mit den Sponsoren beschriftet ist. Sie hatte sich erfolgreich auf einen Job an einem anderen Stand beworben. Kleidung dort: Jeans und T-Shirt. Die Agentur hat sie einfach „umgebucht“. Trotzdem möchte sie die Messe nun „durchziehen“, um Geld für ihr Studium zu verdienen. Weniger Stoff bringt hier übrigens mehr Geld!
Die Blicke der Männer sind ihr mit diesem Outfit aber sehr unangenehm und sie fühlt sich, gerade auch wegen des Verhaltens der Agentur, auf ihren Körper reduziert. Sie bezeichnet sich schon als computeraffin und spielt auch Computer. Es ist ihr aber wichtig, dass sie keiner ihrer Bekannten so sieht.

Das Gespräch hat mich wirklich erschüttert. Das Verhalten der Agentur ist natürlich völlig daneben. Klar könnte die Hostess den Job ablehnen, aber anscheinend braucht sie das Geld wirklich dringend. Da sie von weither kommt, wären damit auch noch die Kosten für Anreise und Unterkunft in den Sand gesetzt. Darüber hinaus ist es auch vom Publisher schwach – zu Resident Evil könnte man ja tolle Kostüme und Aktionen machen, deren Effekt über ein kurzes triebgesteuertes Glotzen und ein Like auf FB hinausgehen. Also auch an dieser Stelle verschenktes Potential – den größten Schaden aber hat natürlich die Frau…

 

Gina-Laureen am Stand von Razr
Im letzten Interview erfuhr ich, dass Gina-Laureen für Razr nicht nur vor sondern auch auf dem Stand die Leute anlockt. Durch Tanzeinlagen auf der Bühne und Interaktion mit dem Moderator soll sie „Stimmung machen„, was ihr Freude bereitet. Mit solchen Tätigkeiten hält sie sich über Wasser, da sie noch kein konkretes Berufsziel für sich gefunden hat. Blicke und Fotografieren empfindet sie nicht als unangehm, es gehört für sie zum Job dazu. Sie hat allerdings bei ihrem Outfit auf eine Strumpfhose bestanden, was ihr genehmigt wurde. Die anderen Frauen posieren teilweise in Unterhose. Sie fühlt sich nicht aufs rein Äußerliche reduziert und sieht keinen Grund ihr gutes Aussehen zu verbergen. Gina-Laureen spielt auch privat Computer, wenn es die Zeit erlaubt.

Gina-Laureen scheint mir die erfahrenste Hostess zu sein, was ihr auch das Selbstbewusstsein gibt, das vorgegebene Outfit zu hinterfragen. Das sie damit Erfolg hatte, ist ein gutes Zeichen, allerdings schienen die Frauen einigen Respekt vor ihrem Arbeitgeber zu haben. Die erste Hostess, die ich ansprach, hatte Angst, Ärger zu bekommen und auch Gina-Laureen wollte nicht zu viel Arbeitszeit für ein Interview opfern. Bei den Outfits lässt sich übrigens kein großartiges Konzept erkennen – mal von der Farbgebung und den Kopfhörern um den Hals abgesehen.

 

Mein Fazit
Haben sich die gängigen Vorurteile bestätigt? Nur zum Teil:

„Die werden benutzt und ausgebeutet“ Alle haben nach eigenen Angaben grundsätzlich Spaß an der Arbeit und empfinden sie nicht als so entwürdigend wie oft vermutet wird. Es stehen auch keineswegs nur naive Dummchen an den Ständen, sondern Frauen, die mit ihrem Aussehen Geld verdienen wollen. Mein Eindruck ist: Wenn ihnen die Promotion-Arbeit nicht grundsätzlich läge, würden sie einen anderen Job machen. Allerdings ist es einigen schon unangenehm angestarrt und womöglich auch angefasst zu werden.
Ich habe übrigens nicht nach der konkreten Bezahlung gefragt, aber es kam ja heraus, dass der Lohn umso höher, je knapper das Outfit ist. Das ist zwar ziemlich perfide aber irgendwie auch fair.

„Die stehen drauf“ Gerade von männlicher Seite kommt oft die Vermutung, die Frauen wollten ihren Körper so zur Schau stellen (und seien daher selber schuld). Ich habe das bewusst im 4. Punkt, den ich recht frei formuliert habe, mit abgefragt. Auf meine Unterstellung „…oder findest Du es auch cool, so angeschaut zu werden“ kam in keinem Fall ein Ja. Diese Argumention sollte also entkräftet sein!

Die haben keine Ahnung, was sie bewerben“ Das trifft tatsächlich teilweise zu. Allerdings geht es auch anders, wie die Geschichte von Beata zeigt, die sogar „am Spiel“ trainiert wurde. Wir können nur hoffen, dass sich sowas mit der Zeit durchsetzt, denn es macht auch auf einen Mann bestimmt mehr Eindruck, wenn die Frau am Stand „nicht nur“ schön aussieht, sondern auch einen Plan vom Produkt hat, das beworben wird. Das bewirkt sicher auch, dass den Frauen dann mehr Respekt entgegen gebracht wird.

Insgesamt war ich positiv überrascht, dass einige Hostessen recht verantworungsvolle Jobs haben. Man kann von Steffi, Beata und auch von der namenlosen Frau bei Resident Evil keinenfalls sagen, dass sie nur „dumm“ rumstehen und lediglich sexy aussehen. Ich finde auch, dass es in den Outfits erhebliche Unterschiede gibt – einige sind billig und einfallslos, andere sind sogar fast geschmackvoll. Trotzdem empfinde das ganze „System Hostessenarbeit“ als ziemlich überflüssig und sexistisch, aber das möchte ich den einzelnen Frauen nicht anlasten. Für sie ist es eine Möglichkeit Geld zu verdienen und die meisten wissen, was sie erwartet. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn Skills in Computerspielen und Komminikationsfreudigkeit oder ähnliches mehr zählen als klischeehaft sexy auszusehen, aber davon sind wir definitiv noch weit entfernt!

Zum Schluss: Ich kann jedem Blogger/jeder Bloggerin nur empfehlen, sowas mal zu machen. Die Frauen (von denen ich bewusst nicht als Mädels, Ladys usw. gesprochen habe) waren alle sehr freundlich zu mir und oft auch interessiert an unserem Blog-Projekt. Es war eine sehr bereichernde Erfahrung!

Ich hoffe, ihr diskutiert nun wieder fleißig mit uns:
Was haltet ihr vom Hostessen-Job? Gehört er abgeschafft oder gehören „Messebabes“ einfach zur Gamescom dazu?
Hab ihr selbst Erfahrung in dem Bereich und möchtet sie mit uns teilen?