Gastartikel Numero Uno – von Heike :) „Natasha Walters Living Dolls. The Return of Sexism“.

Wir freuen uns, Euch unseren ersten Gastartikel präsentieren zu dürfen! Er wurde von Heike geschrieben (später mehr zu ihr) und greift unseren ‚Hostessen‚ Artikel auf. Viel Spaß beim Lesen :)

Gastbeitrag

Geeksisters – Worum geht es hier eigentlich?

Der Weltfrauentag am 8. 3. war Anlass für diverse Printmedien Sonderseiten zu Themen wie „Gleichberechtigung“ und „Eigenständigkeit“ zu bringen, für Google ein bemerkenswert uninspiriert mit Blümchen und Klischees versehenes Logo in Bauklotz-Optik zu präsentieren und für mich die schon lange geplante aber immer wieder aufgeschobene Lektüre von Natasha Walters Living Dolls. The Return of Sexism in Angriff zu nehmen.

Das Buch weist auf Vorurteile hin, die es eigentlich schon lange nicht mehr geben sollte, und die Probleme einer Gesellschaft, in der Frauen ihr Äußeres und vor allem ihre Sexualität wieder zunehmend als ihr wichtigstes Kapital verstehen. Dabei versteht Walter es, nicht in einen unreflektierten und von eigener Ideologie geblendeten Ton zu verfallen, sondern hält sich vor allem an Fakten und Erlebnisberichte und schafft ohne nervenden Zeigefinger ein Bewusstsein für gewisse Umstände. Ich war selbst recht überrascht, wie sehr mich das Thema plötzlich ansprach, und kann das Buch wirklich jedem empfehlen, der offen für eine Auseinandersetzung damit ist.

Nun fragt ihr euch vielleicht, was all das mit dem Thema Female Geek Culture zu tun hat. Der Untertitel der deutschen Übersetzung lautet: „Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“. Wenn das stimmt – und Heidi Klum jettet unermüdlich mit ihrem Gruselkabinett der Einfalt und Oberflächlichkeit durch die Welt, als wolle sie uns den Beweis dafür liefern – dann bilden wir, die Geek Girls und Nerdfrauen dieser Welt, mit Sicherheit eine Gegenbewegung. Kaum eine Subkultur ist so geneigt, über Äußerlichkeiten hinwegzusehen, und zu fragen, was Du denn eigentlich so auf dem Kasten hast. Natürlich kommt auch hier Anerkennung nicht von selbst, aber die zu erfüllenden Coolness-Kriterien sind vielfältig und zielen deutlich mehr auf individuelle Interessen ab. Für die meisten Geeks ist klar: Wissen ist sexy, genau wie eine eigene Meinung und eine anständige Portion Humor.

Geahnt haben wir das schon in der Schule, wo wir mit dem ganzen Zirkus aus Playboy-Bunnies und rosa Nagellack nicht wirklich warm wurden. Die Weichen wurden oft schon im Kindergarten gestellt: Wo die anderen Mädchen Prinzessinnen waren, wollten wir Ritter sein oder doch zumindest ein anständiges Schwert haben. Zum Geburtstag wünschten wir uns vielleicht Dinofiguren anstatt Barbiepuppen, später dann Sternenkarten anstatt Markenklamotten. Das hat uns das Leben nicht gerade leicht gemacht, aber ich glaube, inzwischen sind die meisten von uns sehr froh darüber, wie das alles verlaufen ist. Wir sind die, die lieber schlau als schön sein wollten, und heute zahlt sich das oftmals aus.

Natasha Walters Studien beziehen sich meist auf Großbritannien und die USA. Bei uns sind die Verhältnisse deutlich weniger prekär. Oder zumindest dachte ich das, bis mir neulich aus den Kommentaren zum Geeksisters Beitrag über Hostessen auf der CeBIT genau die Einstellung entgegengrinste, von der ich gerade noch gelesen hatte: Frauen haben sich einen Job, bei dem sie aufs Äußere reduziert werden, ja selber ausgesucht. Das Thema Verobjektivierung ist veraltet, da kann man ja gleich mit Frauenquote kommen. Ihr regt euch ja nur über halbnackte Hostessen auf, weil ihr darin Konkurrenz seht. Ich denke nicht, dass diese Aussagen repräsentativ für die Nerdkultur bei uns sind, aber ich fürchte, mit der Kommerzialisierung und zunehmenden Salonfähigkeit halten derartige Einstellungen in jede Subkultur Einzug und nun eben auch bei uns.

Daraus ergibt sich vor allem eines: Wir stehen jetzt mit in der Verantwortung. Wir haben dem Barbiepuppenideal einiges entgegenzusetzen und sollten das auch tun. Wenn Geeksisters es schafft, die bisher eher verschwommenen Konturen des She-Geektums etwas klarer nachzuzeichnen, wenn es die speziellen weiblichen Formen des Nerddaseins repräsentiert und anderen näher bringt, dann ist das genau das, was wir brauchen.

Und um direkt mal die säuerlichen Kommentare à la „Komm mir nicht mit Deiner Feminismus-Scheiße“ vorwegzunehmen: Geeksisters hat 114 Facebook-likes, 46% davon von Männern, die ja eigentlich nicht Hauptzielgruppe sind. Es ist schön, dass auch von der Seite so viel Zuspruch und Interesse kommt, aber eines sollte klar sein: Der Blog richtet sich an Frauen. Weder müssen die Verfasserinnen ihre Artikel auch für diesen Teil der Leser attraktiv machen, noch darf es hier darum gehen, dass ein paar niedliche Geek-Girls über rosaplüschige Geekthemen schreiben, zum Entzücken der männlichen Leserschaft. Geeksisters ist doch kein Streichelzoo.

Ansonsten müssen die Artikel eben ab jetzt etwas anders aussehen:

„Als ich auf der CeBIT die erste dümmlich grinsende Hostesse sah, freute ich mich, dass wir als Frauen heute die freie Wahl haben, ob wir unseren Körper zur Schau stellen, zumal man ihr deutlich ansah, dass keinesfalls Peerpressure und die falschen Vorbilder in früher Kindheit diese Frau hier hergebracht hatten, sondern allein ihre Fähigkeit zur wahren Selbstverwirklichung. Ich fühlte mich sofort sehr wohl in meiner Rolle als Frau, weil ich einer Person meines Geschlechts gegenüberstand, der ich Achtung entgegenbringen konnte, so wie überhaupt auch alle anwesenden Männer sie achteten – für die Person, die sie war. Ich sonnte mich im Abglanz des Respekts, mit dem sie behandelt wurde, der ja im weitesten Sinne auch auf mich übertragen wurde, schließlich waren insgesamt nur wenige Frauen anwesend. Am schönsten war die Vorstellung, dass in einigen Jahren auch meine Schwester oder Cousine die Möglichkeit haben könnte, sich Ausbildung und Studium auf diese Art zu finanzieren. Kurz: Die Erfahrung war so positiv, dass ich sie gerne in meinem Blog mitteilen wollte. Die Begeisterung, mit der meine Leser diese Möglichkeit der weiblichen Selbstverwirklichung anpriesen, ja, die Hostessen sogar darum beneideten, erfüllt mich mit großer Zuversicht, was die Tendenzen in unserer Gesellschaft angeht.“